Dichterviertel Nord, Ankauf

Städtebaulicher Wettbewerb Dichterviertel Nord, Ulm

Beschränkter Städtebaulicher Wettbewerb, Ankauf
Landschaftsarchitektur: Lucia Grosse Bächle

Mitarbeit: Denise Raddatz

 

Idee | Leitbild
Angesichts der Barrierewirkung durch die verkehrliche Infrastruktur Ulms und die damit zusätzlich verbundenen Lärmemissionen benötigt das Dichterviertel eine schützende Hülle, um sich entwickeln zu können. Nur so können die Grundvoraussetzungen geschaffen werden, dass ein attraktives Wohn- und Arbeitsquartier entstehen kann. Auf der anderen Seite darf sich das Quartier nicht von seiner Umgebung separieren. Eine gute Vernetzung mit den angrenzenden Stadtvierteln vor allem im Süden, aber auch Anbindungen an den Blau-Park im Westen und die Innenstadt im Osten, sind erforderlich.
Wie lassen sich diese gegensätzlichen Anforderungen „Schutz nach innen“ und „Öffnung nach außen“ miteinander verbinden?
Ähnlich dem offenen System eines „Bienenkorbs“, dessen durchlässige Hülle die Waben im Inneren schützend umgibt, soll das künftige „Dichterviertel“ durch eine Umbauung einen geschützten Innenraum erhalten, der mit seiner Umgebung im Dialog steht.

Konzept
Der überwiegend unwirtlichen Umgebung wird ein introvertiertes Quartier gegenüber gestellt. Eine nach innen gerichtete Entwicklung mit dem Schutz vor Lärm und weiteren Emissionen bietet den Rahmen für ein qualitätsvolles Wohn- und Lebensumfeld. So entsteht ein spannungsvoller Kontrast  zwischen Innen und Außen, laut und leise, steinern und durchgrünt, eine geschützte Oase. In der Geborgenheit dieses Raumes kann sich eine besondere Atmosphäre entfalten, welche der Bezeichnung „Dichterviertel“, gerecht wird und dem Quartier eine angemessene, urbane Charakteristik gibt.

Ziel des städtebaulichen Konzepts ist es, einen Raum, ein Umfeld herzustellen, das attraktive Wohn und Arbeitsformen ermöglicht, das so weit wie möglich frei ist von Immissionen und nachhaltigen Prinzipien folgt. Die Freiraum-Potentiale der Kleinen Blau und des westlichen Grünzuges (Glacis-Konzept) sowie eine Verknüpfung mit dem südlichen Teil des Dichterviertels sind wesentlicher Teil der vorgeschlagenen städtebaulichen Gesamtfiguration.

Um eine räumliche und strukturelle Verbindung zwischen nördlichem und südlichem Quartier zu erreichen, werden Bezüge aus der Schillerstraße, der Goethestraße und dem westlichen Glacispark aufgenommen und ausformuliert. Die westliche und östliche Fassung bilden Raumkanten, die sowohl eine städtebauliche Gestalt für das gesamte Dichterviertel herstellen als auch Lärmschutz bieten.

Zum Hindenburgring (B10) wird ein Distanzraum hergestellt, um dem Verlauf des Westglacis mehr Raum für die Entwicklung und Fortführung des Parkkonzeptes bis zum Blaubeurer-Tor und zum Wilhelmsburgglacis zu geben. Ein weiterer Grund für diese Maßnahme ist die damit verbundene Verbesserung des Schallschutzes für die westliche Bebauung des Areals.

Die Raumkante im Verlauf der Schillerstraße und der Bebauungstypus aus dem südlichen Dichterviertel werden aufgenommen und bis in den nördlichen Bereich weitergeführt. Sie findet ihren Abschluss in Form eines „Brückenkopfes“ an der Ludwig-Erhard-Brücke.

Die räumliche Fassung des nördlichen Quartiers ist für das gesamte Dichterviertel städtebaulich wirksam. Es entsteht eine ablesbare, vor allem im Norden weitgehend geschlossene Figuration, in die auch Solitäre wie das Schubart-Gymnasium mit eingebunden sind.

Identität | Charakteristik
Das nördliche Dichterviertel erhält einen ruhigen, inneren Bereich, gegliedert in mehrere große Gartenräume, die „Dichtergärten“. Als fließender Raum öffnet sich dieser in ganzer Breite zur Kleinen Blau hin. Dadurch partizipiert das gesamte Viertel von den Freiraumqualitäten des Flusses einschließlich seiner Ufer.

Aus dem inneren Bereich des Quartiers wird die sich öffnende Geste bis in den südlichen Teil des Dichterviertels hinein fortgesetzt. Über eine platzartige Aufweitung an der Bleichstraße, die Kleine Blau einbindend, werden über die Goethestraße die Wirkungsbereiche der Kleinen Blau und der Großen Blau miteinander verknüpft. Die Bebauung nördlich der Bleichstraße unterstützt die Zugänglichkeit zur Kleinen Blau durch offen gestellte Gebäude und die Öffnung der Uferzonen.

Aufgrund der strukturellen Logik des Gesamtquartiers sowie durch das Aufnehmen und Weiterführen von Bezügen entsteht an der Bleichstraße ein kleiner Quartiersplatz, der die Kleine Blau mit einbezieht. Dadurch wird sowohl eine Verknüpfung zwischen nördlichem und südlichem Quartier unterstützt als auch der Flussraum in das Bezugssystem eingebunden.

Aufgrund der baulich räumlichen Ausformung kann das nördliche Dichterviertel eine eigenständige Identität entwickeln. Seine Introvertiertheit und seine Zugewandtheit zum Freiraum ermöglichen ein attraktives Wohn- und Arbeitsumfeld trotz ungünstiger Einflüsse, welche von den dominierenden Verkehrstrassen ausgehen.